13.10.2023
BIS 05.11.2023
Boundless Roots
Thorben Eggers & Katharina Veerkamp
In der Doppelausstellung “Boundless Roots” zwischen Thorben Eggers und Katharina Veerkamp treffen zwei Künstler_Innen aufeinander, deren Werke auf den ersten Blick nicht all zu viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Der Titel der Ausstellung gibt uns jedoch Anhaltspunkte, durch die wir eine Verknüpfung ausfindig machen können.
Boundless Roots ruft Bilder von gewaltigen Netzwerken von Pilzen hervor, die sich teilweise über tausende Kilometer unterirdisch erstrecken – Wie der Hallimasch in Oregon, der über 8000 Jahre alt, neun Quadratkilometer groß und um die 400 Tonnen schwer ist. Das größte Lebewesen der Welt. Diese Art von Vernetzung bleibt meist unsichtbar, doch nicht notwendigerweise. Bei Mangrovenpflanzen, deren Wurzeln aus dem Stamm heraus unendlich in die Tiefe wachsen (auch durch Ozeane hindurch) und so enorm komplexe, interspezifische Beziehungen aufbauen, ist die Vernetzung auch eine visuelle, oberflächliche Angelegenheit, die den Lebensraum zahlloser anderer Lebewesen bildet.
So ist der Naturverweis des Ausstellungstitels kein Zufall, da sowohl Eggers als auch Veerkamp ihre Inspiration aus der Natur schöpfen, um sie dann technisch zu verzerren und so ihre Gedanken und Ideen an das Publikum zu vermitteln.
Eggers setzt hier seinen bekannten Stil fort und intensiviert ihn sogar noch weiter. Wo er zuvor die digital verfremdeten Ausschnitte von Landschaftsaufnahmen als große Öl-Gemälde realisierte — mit den stilbezeichnenden abstrakten “sweepes”, die den Vordergrund bilden — sind es nun weniger große Arbeiten, die stattdessen durch kleinere Pastelle ergänzt werden. Diese Detailaufnahmen der Serie “Glück in Sicht” muten zuerst wie aus dem Großbild herausgeschnitten an, was sich erst auf den zweiten Blick als falsch erweist. Diese Irreführung, das Nicht-entsprechen der “Totalaufnahme”, provoziert so das Auseinandersetzen, dieses Abgleichen, einen misstrauischen Blick, wobei dann die sehr gezielten Kompositionen der Pastelle — Pastell 2 bspw. wirkt strukturell beinahe surrealistisch, allgemein aber kommen sie überraschend desolat und dystopisch daher — geneigte Betrachtende zum Nachdenken verleiten.
Dieses Spiel mit Oberflächen findet sich auch bei Veerkamps “Invasive Aliens”-Serie wieder, deren Lackbilder ihre Farbigkeit und dadurch Ornamentik ändern, je nach Lichtfall und Standpunkt der Betrachtung. Die Silhouetten stammen von, als invasiv gelisteten Pflanzen, die sich also auf gebietsfremden Böden schnell ausbreiten — wie zugleich auch als figuratives Pendant zu Eggers abstrakten sweepes wirken. Veerkamp stellt diese in den Vergleich zu heimischen Pflanzen, neben denen die vermeintlichen Invasoren ko- existieren und der Ornamentik der Werke als Grundlage dienen. Die Relativität dieser Positionen, wenn als permanent verstanden, von auffällig/unauffällig, heimisch/ gebietsfremd, wird eindringlich beim Standpunktwechsel, wenn sich die figurativen Pflanzen erst in die entgegengesetzte Ornamentik, dann aus manchen Richtungen in bloße monochromatische Farbe verwandeln. So wird auch das echte Verschwinden, oder zumindest der permanente Wandel dieser Biodiversität direkt erfahrbar — durch das Täuschen eines ersten Blicks.
Durch das Verbinden dieser Unsicherheit des Gesehenen, das stetige Verstellen der Oberflächen, eröffnet sich ein Netzwerk, das, wie die Mangrovenbaumwurzeln, neuen Wahrscheinlichkeiten Leben gewährt.
Text: Fredi Thiele
Öffnungszeiten:
Freitag-Samstag: 15-18 Uhr
Sonntag: 12-18 Uhr